Von Thomas Schlichte
Vereinsportrait FV Langenargen
Hier probiert man vieles aus, um den Verein zukunftsfähig zu halten.
| Dass man in Langenargen, der selbst ernannten «Sonnenstube am Bodensee», nicht nur schöne Urlaube verbringen kann, sondern dass hier auch sportlich einiges geboten ist, weiß man nicht nur im süddeutschen Raum. Die Sportvereine im Ort erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Wer nach Langenargen zieht, schließt sich oftmals einem Verein an, wie beispielsweise dem FV Langenargen.
So ist’s einst auch Nicolai Schlotmann ergangen, den es aus dem ostwestfälischen Bielefeld an den Bodensee verschlagen hat, um in Langenargen eine neue berufliche und private Heimat zu finden. Selbst jahrelang im Fußball aktiv und sogar beim Traditionsclub Arminia mit dem professionellen Fußball in Berührung gekommen, fand er beim FV schnell Anschluss und übernahm das Amt des Jugendleiters.
Mittlerweile – genauer gesagt seit 2019 – ist der Familienvater 1. Vorsitzender des Vereins und krempelte mit seinen Vorstandskollegen den FVL um. Und wie! «Uns ging es insbesondere darum, dass wir wieder ein besseres Miteinander zwischen den einzelnen Mannschaften und über verschiedene Altersklassen hinweg haben», erklärt Schlotmann. «Wir haben beispielsweise die Trainings- und Spielkleidung vereinheitlicht: gleiche Farben, gleicher Ausrüster. Von den Kleinsten bis zur AH. Damit haben wir eine visuelle Verbindung erreicht. Man nimmt sich gegenseitig sofort als FVL-Angehörige wahr.»
Verbindungen im Verein schaffen
Und auch in Zeiten der Pandemie ist der FVL kreativ geblieben und hat im großen Jubiläumsjahr 2020 damit begonnen, das Stadion und insbesondere den Kabinentrakt um- bzw. neu zu gestalten. In kleinen Gruppen traf man sich, um handwerklich anzupacken. «Unsere neuen Kabinen erfüllen uns schon mit großem Stolz, ganz klar», betont Schlotmann, den es besonders freute, dass die ganze FVL-Familie mithalf und man so die Mitglieder auch bei der Stange halten konnte. Auch hier galt übrigens das Ziel, «Verbindungen zu schaffen». Schlotmann erklärt das so: «Bei uns gibt’s im Haupttrakt des Vereinsheims nun keine Türen mehr. Das heißt, wenn die Aktiven aus der Kabine kommen, hören und sehen sie z. B. die Junioren schon beim Tischkickern.» Außerdem hat der FVL Patenschaften von älteren für jüngere Kicker eingeführt. Die Folge: Man kennt sich aus dem Verein und grüßt sich dann auch im Ort. «Das hat zur angenehmen Folge, dass zu den Heimspielen wieder deutlich mehr Zuschauer kommen …», sagt Schlotman zufrieden.
Ob hier ein Zusammenhang besteht oder nicht, ist der Vereinsführung zunächst egal – jedenfalls boomt auch der Jugendfußball beim FVL: In den zurückliegenden 12 Monaten ist die Mitgliederzahl von 310 auf nun 430 gestiegen, gut 200 davon sind Kinder und Jugendliche, darunter auch immer mehr Mädchen. In über 20 Jugendteams ist man in Langenargen aktiv, die zum Teil in Kooperation mit dem TSV Eriskirch und dem SV Kressbronn organisiert werden.
Mit anderen Worten: Der FV Langenargen verlor in den vergangenen drei Jahren keine Mitglieder, sondern erfreute sich stattdessen an Zuwachs. Vor allem die neu ins Leben gerufenen Mädchenteams und die «Piccolini» – ein Format, das ein erstes Schnuppern in den Fußballsport für Kinder ab zwei Jahren unter der Leitung von Juniorenleiterin Evelyn Reiner bietet – erfreuten sich schnell großer und stetig wachsender Beliebtheit. Seit Beginn der Pandemie sind so aus 18 Trainerinnen und Trainern stolze 34 geworden, die momentan mehr als 650 Einheiten pro Jahr leisten.
Ebenso ziehen die Eltern der vielen ganz jungen Fußballerinnen und Fußballer im blauen FVL-Trikot mit. «Wenn wir ein Event haben und Freiwillige am Grillstand oder an der Getränkeausgabe brauchen, dann müssen wir nicht lange suchen, bis alle Schichten besetzt sind», so Schlotmann, der auch hier wahrnimmt, dass es im Verein selbstverständlich ist, sich gegenseitig zu helfen: «die Jungen bedienen bei den AH-Treffs, die Alten bewirten bei den Jugendturnieren!»
Sportlicher Erfolg ist zweitrangig
Doch auch beim FV Langenargen ist in Zeiten
größer werdenden beruflichen und schulischen Drucks sowie steigender Preise nicht «alles Gold, was glänzt». Schließlich sahen sich Schlotmann und sein Vorstand dazu gezwungen, die Mitgliedsbeiträge nicht nur zu erhöhen, sondern sogar zu verdoppeln. «Klar gab es da einige Widerstände und kritische Nachfragen – erst recht in unserer Region, wo man gerne spart», erklärt der gebürtige Sauerländer. Dennoch schaffte man es, auch die letzten Kritiker zu überzeugen und die Strukturen sowie die finanzielle Situation des Vereins weiter zu verbessern.
Das bedeute allerdings nicht, dass man sich in der ersten Herrenmannschaft mit externen Neuzugängen verstärkt, die für ihre Spielbereitschaft Geld sehen möchten. Vielmehr setzt man konsequent auf den Nachwuchs aus dem eigenen Stall und akzeptiert dafür auch das Dasein der drei aktiven Herrenteams in den unteren Spielklassen, in den B-Kreisligen des Bezirks Bodensee. «Wir sind von unserem Weg aber absolut überzeugt und freuen uns, dass mittlerweile auch die ‹alten Recken› voll und ganz hinter uns und dem eingeschlagenen Weg stehen», so Schlotmann.
Einer von ihnen ist auch Günther Bretzel, der 40 Jahre im Vorstand mitwirkte und noch immer Berichte und Fotos macht, aber vor allem als «Ehrenvorstand» auch Sprachrohr in die älteren Mitgliedergruppen, zu den Stammtischen ist. «Das ist eine wirklich wichtige Position», erklärt Schlotmann. «Ehrenvorstand» sei beim FVL eben kein Titel nur auf dem Papier. «Günther ist in unserer Whatsapp-Gruppe dabei, nimmt Termine für den Verein wahr und seine Erfahrung ist bei den Vorstandstreffen immer gefragt.»
Die Vereinsspielstätte des FVL heißt übrigens Fritz-Bretzel-Stadion – benannt nach Günthers Vater, der selbst im Verein lange als Funktionär tätig war. Die Zunahme an Teams, Spiel- und Trainingszeiten bringe es nun jedoch auch mit sich, dass die Kapazitäten auf den Plätzen an ihre Grenzen stoßen. Geplant ist daher, dass zu den beiden Rasenplätzen bald auch ein Kunstrasenfeld hinzukommt. «Auch hier sollten wir auf einem guten Weg sein», sagt Nicolai Schlotmann, der sich für seine umfangreichen organisatorischen Maßnahmen im Verein übrigens professionelle Hilfe aus Berlin holte.
Externe Beratung
Gemeinsam mit der Agentur «Klubtalent» ließ er seine ehrenamtlichen Helfer und Funktionäre ein halbes Jahr lang in wöchentlich stattfindenden Online-Seminaren schulen, um ein noch besseres Miteinander zu gewährleisten. Die Vorteile, so Schlotmann: «Kritik von außen wird besser angenommen und die Empfehlungen, die uns gegeben wurden, erwiesen sich als durchaus zielführend – wenn auch anstrengend.» So erhielten die Vereinsfunktionäre Hausaufgaben, beispielsweise um Kennzahlen zu ermitteln (Berechnung und Aufschlüsselung eines passenden Mitgliedsbeitrags) oder um die Digitalisierung im Verein voranzutreiben (Softwaretests für Vereinsorganisation). «Wenn man Zeit und Lust hat, das auszuprobieren, kann die Investition in ein solches Coaching einen Club durchaus zukunftsfähiger machen», sagt Schlotmann und ergänzt mit einem zufriedenen Lächeln: «Auf die nächsten erfolgreichen 100 Jahre also, im und beim FV Langenargen.» |