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Von Dr. Julia Fischer

Schwangerschaft im Fußball

Profisport und Kinderwunsch

| Es sind bedenkliche Zahlen, die der SWR im März 2021 veröffentlichte: In einer exklusiven Umfrage unter Profisportlerinnen gab lediglich jede zehnte Befragte an, sich im Falle einer Schwangerschaft von ihrem Verein oder Verband unterstützt zu fühlen. Zwei Prozent haben sich demnach sogar schon für eine Abtreibung entschieden, um die sport­liche Karriere nicht zu gefährden. Profisport und Kinderwunsch – schließt das einander noch immer zwingend aus?

Während es in der freien Wirtschaft immer flexiblere Lösungen für werdende Mütter gibt, scheint es insbesondere im Profisport noch Hürden zu geben, die Sportlerinnen davon abhalten, ihrem Kinderwunsch nachzugehen. Wer mag es ihnen verdenken, denn gerade in der öffentlichen Wahrnehmung hinterlässt das System «Spitzensport» diesbezüglich einen eher konservativen Eindruck. Durch die mediale Aufmerksamkeit, die Mütter wie die Leichtathletin Gesa Krause oder die Handballerin Stine Jørgensen im Profisport erregt haben, zeigt sich zwar eine zunehmende Sensibilisierung für das Thema, dennoch kritisieren einige Athletinnen vor allem unflexible Strukturen, die einen Kinderwunsch während der aktiven Karriere oder eine Rückkehr auf Top-Niveau erschweren.

Im Profifußball ist das nicht grundlegend anders, wie das Beispiel Verena Schweers zeigt. Die ehemalige Nationalspielerin, die u. a. beim SC Freiburg und beim FC Bayern München unter Vertrag stand, hat sich beispielsweise gegen eine Schwangerschaft als aktive Profifußballerin entschieden: «Ich hatte zu der Zeit zu viele Fragen, die unbeantwortet blieben. Gefühlsmäßig war es so, dass ich aufhören muss, Fußball zu spielen, wenn ich jetzt ein Kind möchte.»
Besonders prekär erscheinen solche Äußerungen vor dem Hintergrund, dass die isländische Fußballspielerin Sara Björk Gunnarsdóttir (ehemals Olym­pique Lyon) erst Anfang dieses Jahres publik machte, während ihrer Schwangerschaft weniger Gehalt erhalten zu haben – zu Unrecht, wie ein FIFA-Gericht nun urteilte. Bereits 2020 hat der Weltverband neue Mutterschutz-Regeln festgeschrieben, die von den Verbänden ebenfalls umzusetzen sind. Darin enthalten sind u. a. die Bezahlung während des Mutterschutzes sowie der Anspruch auf Mutterschafts­urlaub. Hierzulande greift zudem der gesetzlich vereinbarte Mutterschutz.


Für ein Comeback fehlt oft der Support

Trotzdem sind Profisportlerinnen in besonderer Weise mit Problemen konfrontiert: Befristete Verträge und eine damit einhergehende mangelnde finanzielle Sicherheit schaffen eine prekäre Ausgangssituation. Eine Problematik, die Akteurinnen während und vor allem bei der Rückkehr auf den Platz betrifft, wie es Verena Schweers offen kommuniziert, wenn sie über ein mögliches Comeback spricht: «Der Aufwand, wieder in den Fußball einzusteigen, ist zu groß. Es fehlt der Support, du bist auf dich allein gestellt – du hast keinen Verein, du hast einfach nicht die Unterstützung, die du bräuchtest. Du musst dir auf eigene Faust einen Athletik-Trainer suchen, eine Mannschaft, bei der du dich fit halten und Spielpraxis bekommen kannst. Das alles ohne finanzielle Unterstützung und mit Kind. Das ist zu schwierig. Wäre ich bei einem Verein angestellt gewesen, der mich dabei unterstützt hätte – sei es bei der Betreuung des Kindes oder bei meiner eigenen Vorbereitung darauf, wieder zurückzukommen –, dann hätte es anders ausgesehen.»

Wie Vereine Spielerinnen in dieser Lebenssituation unterstützen können, zeigt das Beispiel des FC Chelsea und seiner Spielerin Melanie Leupolz, die auch wfv- und SBFV-Auswahlspielerin war: Nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft ließ der Verein offiziell eine Vertragsverlängerung verlauten. «Das ist ein ganz neues Feld, für das sich der Frauenfußball öffnen muss. Es muss normal sein können, dass man sich als Frau irgendwann ein Kind wünscht», sagt Verena Schweers und spricht damit einen zentralen Punkt an: Frauen bekommen auch in anderen Berufen Kinder, warum also nicht auch als Profispielerinnen? «Man muss den Beruf, seine Leidenschaft, nicht an den Nagel hängen, nur weil man einen Kinderwunsch hat. Das eine bedingt das andere nicht», führt Schweers weiter aus und plädiert für mehr Verständnis und Sensibilität innerhalb der Fußballbranche.


Spielerinnen leisten Aufklärungsarbeit

Dass das Thema Schwangerschaft im Leistungssport noch nicht zu 100 Prozent bei den Vereinen, den Verantwortlichen, aber auch bei den Spielerinnen selbst angekommen ist, beobachtet auch Tabea Sellner (geb. Waßmuth), die seit 2021 beim VfL Wolfsburg unter Vertrag steht, zuvor 13 Jahre bei der TSG Hoffenheim kickte und über 20 Einsätze für die deutsche Nationalmannschaft verbuchen kann. Tabea erwartet 2024 ihr erstes Kind und pausiert während der Schwangerschaft mit der Profikarriere. Als aktive Spielerin wird sie nachhaltig von ihrem Arbeitgeber unterstützt: «Der Verein hat mir unmittelbar kommuniziert, dass sie mir alle möglichen Mittel zur Verfügung stellen, um mich bestmöglich zu unterstützen. Mir war es beispielsweise sehr wichtig, weiter angepasst zu trainieren, weiter in Kontakt mit der Mannschaft zu bleiben und am Trainingszentrum zu sein. Das konnte zum Glück möglich gemacht werden.»

Die Strukturen, die der VfL Wolfsburg damit anbietet, sind keinesfalls selbstverständlich. Dazu beigetragen haben auch Spielerinnen wie Almuth Schult, Meret Felde (SC Freiburg) oder eben Melanie Leupolz, die durch ihren offensiven Umgang mit dem Thema den Weg für andere Spielerinnen mit vorbereitet haben. Eine Entwicklung, die auch Tabea Sellner ähnlich beurteilt, allerdings darauf verweist, dass man als Spielerin dennoch viel «Aufklärungsarbeit» leisten müsse, was beispielsweise die Möglichkeiten sportlicher Aktivität von schwangeren Spielerinnen betrifft. Im Moment liegen solche
Aspekte in der Eigenverantwortung des Vereins und gerade hier wünscht sich Sellner seitens des DFB mehr Unterstützung: «Es wäre wichtig, vom Verband ein Schriftstück in Bezug auf Schwangerschaften während der Karriere erhalten zu können, das Vereinen und Spielerinnen als Hilfestellung dient. So müsste nicht bei jeder Spielerin wieder von vorn angefangen werden, sondern es würde klare Optionen geben.»


Vereine als Arbeitgeber sind gefordert

Offene Fragen gibt es nicht nur vor oder während der Schwangerschaft, sondern auch mit Blick auf ein mögliches Comeback. «Natürlich macht man sich den einen oder anderen Gedanken, wie es sich entwickeln wird, allerdings hat schon mit Beginn der Schwangerschaft ein Umdenken bei mir stattgefunden. Ich musste ein Stück weit lernen, noch mehr auf meinen Körper zu hören und erst mal den Leistungsgedanken und die damit verbundene Trainingseinstellung etwas zur Seite zu schieben. Ich freue mich auf alles, was kommt, und versuche, es auf mich zukommen zu lassen», sagt die 27-jäh­rige Sellner.

Während die Geschichte um Tabea Sellner Hoffnung für die Zukunft gibt, zeigt die von Verena Schweers, dass noch immer Handlungsbedarf für Mütter im Profisport besteht. Es bleibt zu hoffen, dass sich in naher Zukunft also mehr als nur jede zehnte Sport­lerin beim Thema Schwangerschaft von ihrem Arbeitgeber unterstützt fühlt. |