Von Arne Bauer
Phänomen Baller League
Kleinfeld-Fußball und Social-Media-Show
| 12 000 Zuschauer vor Ort, Millionenpublikum auf Twitch, rund 80 000 Follower auf TikTok. Die von Mats Hummels und Lukas Podolski gegründete Baller League hat in ihrer ersten Saison für Furore gesorgt. Im April wurde über ein Final-Four-Turnier unter großem Medieninteresse der erste Champion ermittelt. In zwei der Hauptrollen: Sangar Aziz und Tim Buchheister. Aziz trägt eigentlich die Farben des württembergischen Verbandsligisten Calcio Leinfelden-Echterdingen, Buchheister geht in der badischen Verbandsliga für den 1. FC Mühlhausen auf Torejagd. Doch für elf Wochen verbrachten die beiden ihre Montagabende in der Kölner Motorworld. Denn dort trugen sie in der Baller League die Trikots der Teams «Eintracht Spandau» und «Hardstuck Royale».
Bolzplatz mit Show-Effekten
Ehrlichen Fußball, wie man ihn vom Bolzplatz kennt – mit diesem Versprechen ging die Baller League im Januar an den Start. Zugegebenermaßen ist auch eine gehörige Portion Show dabei. Der Fußball stehe aber immer im Vordergrund, versichern die Macher des Kleinfeld-Formats. Tim Buchheister kann das bestätigen. Der 25-Jährige spielte im Team «Hardstuck Royale» von Streamer Trymacs und sagt: «Es hat total Bock gemacht, ich bin wirklich begeistert.» Er habe auf Instagram hin und wieder Werbung für die Baller League gesehen und sich schließlich beworben, nachdem ihm ein Freund Mut zugesprochen hatte. Die anfänglichen Zweifel rührten auch daher, dass Buchheister ja eigentlich für Mühlhausen in der Verbandsliga kickt. Doch als der Verein nach Rücksprache grünes Licht gab, begann das Abenteuer Baller League.
Hummels und Podolski treten als Präsidenten der Liga auf, in der sich Ex-Profis wie Moritz Leitner oder Julian Schieber und zahlreiche Influencer wie MontanaBlack, Trymacs oder Knossi tummeln – aber auch höherklassige Amateurkicker wie Buchheister und Aziz. Gespielt wird im 6-gegen-6 für zweimal 15 Minuten. Sogenannte Challenges sollen Spannung und Abwechslung bringen. Jeweils vor Ende einer Halbzeit wird per Glücksrad eine Sonderregel bestimmt, die für drei Minuten gilt. So kann es sein, dass nur noch ein Ballkontakt erlaubt ist, Tore nur noch per Volley zählen oder dass das Spiel auf ein 1-gegen-1 reduziert wird. Die Spiele werden kostenlos auf den Streaming-Plattformen Twitch und Joyn übertragen, das Top-Spiel des Tages wird zudem im Free-TV bei ProSieben Maxx ausgestrahlt.
Es geht zur Sache
Challenges? Unnötiger Firlefanz, würde ein Fußballromantiker sicherlich sagen. Doch bei der jungen Generation kommt die Baller League an. «Man hat viel Action drin, die Spiele ändern sich schnell. Ein Team kann 4:0 führen und noch 4:6 verlieren», erklärt Sangar Aziz. Eigentlich steht der studierte Wirtschaftsprüfer für Calcio Leinfelden-Echterdingen in der Verbandsliga Württemberg auf dem Platz. Auf gut Glück hatte er sich bei der Baller League beworben – wie insgesamt 16 500 andere Kicker. Im «Combine», also einem Probetraining, setzte sich der Mittelfeldspieler dann gegen 500 eingeladene Mitbewerber durch und wurde im «Draft» ins Team Eintracht Spandau gewählt.
Am Anfang hätten in seinem Umfeld viele negativ über das Projekt gesprochen, inzwischen haben die meisten aber ihre Meining revidiert. «Es ist schon Fußball, aber etwas ganz anderes», sagt der 25-Jährige. Dass der Sport trotz der medialen Inszenierung im Vordergrund steht, kann er bestätigen: «Es geht richtig zur Sache, es ist nicht nur Entertainment. Wir geben 105 Prozent und Hans Sarpei macht uns in der Halbzeit auch mal richtig zur Sau, wenn es sein muss.» Das Finale vor 25 000 Zuschauern im PSD Bank Dome, einer Multifunktionshalle in Düsseldorf, sei «atemberaubend» gewesen, vielleicht das schönste Erlebnis in seinem bisherigen Leben. Trotzdem bedeutet Aziz der traditionelle Fußball weiterhin viel, zwischen den Welten entscheiden könnte er sich momentan jedoch nicht: «Ich liebe einfach beides.»
Familiäre Atmosphäre
Die Baller League sei sehr familiär, der Umgang mit den teils prominenten Persönlichkeiten entspannt, berichtet Aziz: «Es ist, als wäre man schon lange befreundet.» Dem kann Tim Buchheister nur beipflichten: «Als Mats Hummels vor dem Eröffnungsspiel in die Kabine kam, uns auf die Schulter klopfte und viel Spaß wünschte, war das schon verrückt.» Doch man habe sich daran gewöhnt, hinter den Kulissen seien alle freundlich und gleichberechtigt: «Wir sind richtig zusammengewachsen.» Dass die Baller League so gut ankommt, erklärt sich der Student wie folgt: «Jeder verbindet etwas Positives mit dem Bolzplatz. Es ist alles sehr spielerisch gemacht und perfekt ausgelegt für die heutige Zeit und geringe Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer.» Zudem hat die Baller League aus Buchheisters Sicht den optimalen Mix aus Protagonisten gewählt, um ein breites Publikum abzuholen. Liga-Chef Felix Starck formuliert das so: «Wir erreichen unsere Zuschauer über die unterschiedlichen Communitys. Felix Lobrecht erreicht andere Leute als MontanaBlack, Kontra K wiederum andere als Gamerbrother und die Tisis.»
Vermutlich im Spätsommer bekommt die Baller League Konkurrenz. «Icon League» heißt das neue Format, das Profifußballer Toni Kroos mit Streamer und Unternehmer Elias Nerlich im November 2023 ankündigte. Ähnlich wie bei der Baller League handelt es sich um eine Kleinfeld-Liga, die ihre Spiele in der Halle im 5-gegen-5 austrägt. Als Team-Kapitäne stehen bereits der Rapper Luciano, David Alaba und Franck Ribéry fest. Auch die Icon League soll kostenlos auf der Streaming-Plattform Twitch übertragen werden.
Zwischen Erfolg und Kritik
Geboren wurde das Genre einer digitalen und unterhaltsamen Kleinfeld-Liga mit Sonderregeln bereits im Frühjahr 2022 in Spanien durch Ex-Barcelona-Profi Gerard Piqué. In dessen Kings League treten zwölf Mannschaften an. Alle haben prominente Sportler wie Iker Casillas, Sergio Agüero oder aber Streamer und Influencer als Vorsitzende. Gespielt wird in der Liga auf einem Kleinspielfeld im 7-gegen-7, eine Partie dauert jeweils 20 Minuten pro Halbzeit. Natürlich hat auch die Kings League ihre eigenen Regeln. Zu sehen ist das Format – natürlich kostenlos – auf den Plattformen Twitch, YouTube und TikTok. Und auch ein Ableger in Deutschland ist geplant.
Muss sich der klassische Fußball also Sorgen machen? Für Hans Sarpei, der als Manager beim Team Eintracht Spandau in der Baller League mitmischt, ist der Mix aus «Entertainment und Fußball» das Erfolgsgeheimnis. Das digitale Format hat beim Publikum gezündet: Seit dem ersten Spieltag war die Baller League nach durchschnittlichen Zuschauerzahlen auf Platz eins der deutschsprachigen Twitch-Charts. Zum Ende der Saison und des Final Four erreichte der Channel außerdem den dritten Platz im globalen Twitch-Ranking. Liga-Chef Starck betont jedoch: «Die Baller League ist aus einem emotionalen Grund ins Leben gerufen worden – und nicht aus einem monetären. Sie soll eine Bühne für talentierte Fußballspieler sein.» Doch nicht überall stößt das Format auf Gegenliebe. Die Baller League sei Gift für den Amateurfußball, hört man beispielsweise von vielen Vereinsverantwortlichen. Auch eine überbordende Kommerzialisierung im Fußball wird der Liga mit ihren vielen Werbepartnern zur Last gelegt. Starck kontert: «Die Baller League ist ein frei empfangbares Live-Sportprodukt – weniger Kommerz geht ja eigentlich nicht.»
Die zwei Kicker aus Baden-Württemberg nehmen das Ganze gelassen. Buchheister: «Ich sehe die Baller League als Ergänzung zum normalen Spielbetrieb, nicht als Konkurrenz. Beides hat seine Berechtigung.» Als einer von wenigen Akteuren hat er das Angebot vorliegen, auch in der zweiten Saison der Baller League am Start zu sein. Sollte das studienbedingte Auslandssemester nicht dazwischenkommen, werde er auf jeden Fall zusagen. Auch Sangar Aziz hat abgeliefert und wird weiterhin in beiden Welten unterwegs sein. Für welche Mannschaft, das weiß er noch nicht. Weltmeister Christoph Kramer, der das Team Golden XI zusammen mit der Fußballerin Ana Maria Markovic führt, hat bereits sein Interesse hinterlegt und sich mit den Worten «Lass mal telefonieren …» verabschiedet. Ob Klein- oder Großfeld, unterm Strich ist es für Sangar Aziz ganz einfach: «Fußball muss Spaß machen.» | Arne Bauer, Stuttgart