Von Jürgen Rössler
Hochschul-Stipendien
Kicken in den USA
| Gründe gibt es viele, für eine gewisse Zeit, beispielsweise während der Schulzeit oder im Rahmen des Erasmus-Programms während des Studiums Auslandserfahrung zu sammeln: eine neue Kultur, Selbstfindung weit weg von zu Hause, ein Neuanfang, das persönliche Spektrum erweitern. Besonders interessant in Sachen Sport sind die USA. Denn bei entsprechenden Voraussetzungen kann man ein Stipendium einer Hochschule erhalten, das die in den USA recht hohen Studiengebühren ebenso beinhaltet wie einen Wohnheimplatz auf dem Uni-Campus.
Auch Jan Küpper, in der Jugend beim FC Schaffhausen und bis zu seinem Abitur Torhüter beim südbadischen Landesligisten SG Dettingen/Dingelsdorf, ging diesen Weg. «In Deutschland gibt es mehrere Agenturen, die für dich ein Spielerprofil entwickeln. Da musste ich Videomaterial ganzer Spiele hinschicken, aber auch Highlights von meinen Paraden und vom Spielaufbau», beschreibt Küpper seine ersten Schritte. Ergänzt werden diese mit weiteren Fakten: Zeugnisse, persönliche Daten wie Größe und Gewicht, Geburtsdatum, bisherige Clubs mit Ligenzugehörigkeiten. Mit diesen Daten erstellen die Agenturen dann ein Spielerprofil, das sie den Coaches in den USA zukommen lassen. Und wenn diese von den Daten überzeugt sind, wird Kontakt zum Spieler aufgenommen.
Gleich viele Sportstipendien an Männer und Frauen
Eine Voraussetzung für ein Stipendium ist das Abitur. Dann müssen die angehenden US-Studentinnen und -Studenten aber noch zwei Tests absolvieren, doch hierbei unterstützt die Agentur. Da wäre zum einen der Toefl-Test, hier geht es im Wesentlichen um das Sprachniveau in Englisch, und den Sat-Test, mit dem das mathematische Verständnis geprüft wird. Das Testergebnis ist dann auch entscheidend für das Niveau der Uni, an die man kommen kann.
Aber wie hoch sind die Chancen auf ein Stipendium? «Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Dies kommt auf viele verschiedene Faktoren an wie Alter, Geschlecht, Spielniveau, akademisches Niveau etc. an», so Philipp Liedgens, Geschäftsführer bei der Agentur «Keystone Sports» in Köln. Ein klein wenig geht Liedgens dann doch ins Detail: «Es müssen an US-Unis immer genau gleich viele Stipendien an Frauen und Männer ausgeschüttet werden – über alle Sportarten hinweg.» Denn sonst fallen staatliche Zuschüsse für die Hochschule weg. Und da alle Unis über Football- und Basketball-Teams mit großen Kadern verfügen, haben es kickende Studentinnen eine Spur leichter, da die Unis ihre Frauenquote erfüllen wollen. Weil aber Fußball allgemein an Stellenwert gewinnt und das Image des deutschen Fußballs in den Staaten ganz gut ist, sind auch die Chancen für Fußballspieler aus Deutschland nicht schlecht. «Im Prinzip lässt sich ab der Bezirksliga etwas machen. Auf diesem Niveau natürlich mit eher niedrigen Stipendien, die man aber ggf. durch gute Noten oder andere Förderprogramme aufstocken kann. Sehr gute Chancen auf hohe oder sogar Vollstipendien hat man bei den Frauen ab der Regionalliga und bei den Herren ab der Verbandsliga», erläutert Liedgens in Bezug auf die Spielstärke.
Frauenfußball ist in den USA ein Fest
Für gute Fußballerinnen hat ein Engagement in den USA noch einen weiteren Reiz, wie Maximiliane Rall erzählt: «Durch meine beiden Reisen, die ich bereits mit dem Fußball in die USA machen durfte, weiß ich, dass Frauenfußball ein Fest ist. Die Stimmung in den Stadien ist großartig, laut und alles einfach eine große Unterhaltungsshow!» Daher zieht es die 30-jährige Rottweilerin, die über den VfL Sindelfingen und die TSG Hoffenheim zu Bayern München kam, nun zum US-Proficlub Chicago Red Stars.
Den fast klassischen Weg über ein Stipendium hingegen ging vergangenes Jahr Linette Hofmann, die nun nicht nur an der University of Tennessee in Knoxville studiert, sondern auch das Trikot mit der Rückennummer 31 des Uni-Teams trägt. «Meine
Motivation, hier in den USA zu spielen, war, dass ich sehr viel Lust hatte, nach meinem Abi irgendetwas Neues zu sehen. Ich hätte unglaublich gerne ein Auslandsjahr gemacht oder wäre viel gereist, weil das aber schwer mit dem Fußball zu kombinieren
ist, war ein Stipendium in den USA die perfekte Möglichkeit, Fußball und Auslandserfahrung unter einen Hut zu bringen», erklärt die 19-Jährige, die über Amicitia Viernheim zur TSG Hoffenheim kam.
Doch der Anfang war mühsam, berichtet Linette Hofmann: «Als ich mit dem Bewerbungsprozess begonnen hatte, war ich zuerst ein bisschen überfordert, weil es so viele unterschiedliche Angebote von Universitäten aus ganz Amerika gab. Alle mit unterschiedlichen Profilen, Campussen und Vorgehensweisen. Bei der University of Tennessee hatte ich von Anfang an ein sehr gutes Bauchgefühl und dann hat auch noch der Mix aus fußballerischen Ambitionen und schulischen Leistungen, die menschliche Ebene und letztendlich auch das angebotene Stipendium gepasst.»
Hoher Stellenwert des Schulsports
Nicht ganz nach Wunsch lief es hingegen für Franziska Kegreiß, die seit dem Sommer 2023 ein Schuljahr in Jefferson im US-Bundestaat Georgia verbringt. Ihr Interesse an Geschichte und Politik sorgte dafür, dass sie über das Parlamentarische Patenschafts-Programm die Chance eines längeren US-Aufenthalts bekam. Doch da die 16-Jährige auch eine begeisterte Fußballerin ist, erhoffte sie sich auch sportlich einiges. «Ich hatte das normale Vorbereitungsprogramm in der Schule mitgemacht. Allerdings hat es mir hier nicht ganz so viel Spaß gemacht. Das lag u. a. daran, dass unser Team sehr gut und wettkampforientiert und daher der Druck teils hoch war. Im Generellen ist Sport hier deutlich ernster und hat einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Zudem haben bis auf ein oder zwei Ausnahmen alle in meinem Team auch Club-Fußball außerhalb der Schule gespielt, und ich hatte seit fünf Monaten kein Training mehr, was es für mich schwerer gemacht hat. Außerdem hat sich alles sehr hektisch angefühlt», beschreibt die Schülerin, warum sie in den USA ihre Sportart wechselte und nun als Läuferin im Cross-Country ihre Freude findet.
Auch Jan Küpper hat nicht nur Erfreuliches erlebt: «Ich habe immer nur mit den Trainern gesprochen, die natürlich das Team bestens darstellen. Das Problem war dann aber, dass das Mannschaftsgefüge toxisch war, es war kein echtes Team, das miteinander spielt, da hat jeder gegen jeden gekämpft. Nach einer Meniskusoperation hatte ich an Gewicht zugenommen und musste eine lange Reha durchlaufen, und wenn man dann keine Familie oder gute Freunde zur Seite hat, die einem helfen, oder Coaches, die einen unterstützen und nicht nur fordern, Druck erzeugen – beispielsweise mit der Höhe des Stipendiums –, dann wird es schwer. Ich habe nach einer anderen Lösung gesucht und wechselte mit Hilfe der Agentur in Deutschland zu einer anderen Uni.» Sein Tipp daher: Nicht nur mit den Coaches sprechen, auch versuchen, mit Spielern in Kontakt zu treten.
Worin aber liegt der Unterschied zwischen dem US-Soccer und dem deutschen Fußball, worauf müssen sich Spielerinnen und Spieler bei einem Wechsel über den Atlantik einstellen? «In der Landesliga hatten wir zwei- bis dreimal in der Woche Training, an der US-Uni fünfmal, also jeden Tag, dazu kam noch zwei- bis dreimal Training mit dem Athletiktrainer. Athletik wird in den USA großgeschrieben, in Deutschland ist das in diesem Umfang nicht üblich», so Küpper. Außerdem sei das Taktikniveau vom Trainer abhängig und meist gehe es darum, die Bälle schnell nach vorn zu spielen in der Hoffnung, dass dort was passiert. «Wenn man einen europäischen Trainer bekommt – meist sind das dann Engländer –, dann kommt viel taktische Finesse dazu», erklärt der Keeper und geht ins Detail: «Beim Programm eines britischen Coachs gab es einen klaren Wochenplan: montags Spielaufbau, am Dienstag haben wir uns auf die Defensive konzentriert, mittwochs haben wir Angriffe über die Flügel einstudiert und so weiter!»
Athletischer und direkter zum Tor als in Deutschland
Auch Maximiliane Rall erwartet von ihrem neuen sportlichen Umfeld mehr Körperlichkeit: «Ich glaube, dass der Fußball in den USA allgemein sehr athletisch ist. Vielleicht ist er auch direkter zum Tor als hier in Deutschland, weniger klein-klein.» Linette Hofmann bestätigt diese Einschätzung: «Es gibt tatsächlich große Unterschiede. Die Spielphilosophie zeichnet sich vielmehr über die Physis aus und darauf ist auch das ganze Training ausgelegt. Es wird sehr viel gerannt und Krafttraining gemacht. Kognitiv überfordernde Spielformen stehen nicht auf der Tagesordnung – in Hoffenheim gehörte das zum täglichen Geschäft … Im Spiel geht es dann schneller und schnörkelloser nach vorn, es wird nicht viel in einen geregelten Spielaufbau investiert.» Außerdem sei der Fußball in den USA ein Mädchensport, was auf jeden Fall auch eine interessante Erfahrung für die Abwehrspielerin ist. «Meine Uni hat keine Männer-Fußballmannschaft und bei unseren Heimspielen kommen gut und gerne mal 2000 bis 3000 Zuschauer. Generell sind die Sportteams der Uni die Aushängeschilder und man supportet sich gegenseitig.»
Auf jeden Fall aber – und hier sind Maximiliane Rall, Linette Hofmann, Franziska Kegreiß und Jan Küpper gleicher Meinung wie die deutschen Fußball-Legenden Franz Beckenbauer, Gerd Müller oder Bastian Schweinsteiger – ist solch ein sportlich geprägter US-Aufenthalt eine Erfahrung, die man nicht vergisst. Im Falle von Jan Küpper sogar so extrem, dass er gleich blieb. Der heute 25-Jährige arbeitet mittlerweile in den USA und engagiert sich hier auch zeitweise als Torwarttrainer. |