Von Roman Horschig
Frauen in Männerteams
Die neue Normalität im Amateurfußball
| Birgit Prinz gilt gemeinhin als die beste Fußballerin aller Zeiten, in Deutschland und in den Augen mancher auch weltweit. Schlagzeilen gab es allerdings im Dezember 2003 aus einem anderen Grund. Der Serie-A-Club AC Perugia machte der Stürmerin damals ein lukratives Angebot, in der Männermannschaft mitzuspielen. Eine damals polarisierende Idee, nach Verhandlungen sagte Prinz allerdings ab. «Ich spiele zu gern Fußball, um bei den Männern auf der Bank zu sitzen», sagte die Weltfußballerin und ging damit wohl den richtigen Schritt. Auf höchstem Niveau wird es für Frauen schwierig, mit den Männern auf dem Rasen mitzuhalten, und das Ganze wirkte im Nachhinein auch eher wie eine Marketingmaßnahme seitens des italienischen Top-Clubs.
Annike Müller: «Jede Kickerin sollte die Möglichkeit bekommen, bei den Männern mitzuspielen.»
Ganz anders sieht das in unserer Region und im Amateurfußball fast zwanzig Jahre nach der Prinz-Offerte aus. Hier bereichern mittlerweile einige Damen mit ihrem Fußballkönnen Männerteams und haben dabei auch noch eine Menge Spaß. Unter anderem Annike Müller, die zuletzt auch Sinsheimer Geschichte geschrieben hat: Die 22-jährige Spielerin ist die erste Frau, die bei einem offiziellen Spiel im Fußballkreis ins Schwarze getroffen hat. Und das gleich zwei Mal, und zwar beim 4:1-Sieg im Kreisliga-B-Heimspiel des TSV Waldangelloch II gegen die SpG Eschelbach/Dühren. Diese Leistung musste die Novizin dann bei ihren Mannschaftskollegen auch mit einem Kasten Bier «bezahlen» – pro Treffer …
«In der Kreisliga bei den Männern werde ich mehr gefordert als in der Oberliga bei den Frauen», sagt die Waldangellocher Mittelfeldspielerin ganz klar. Im Team wurde sie gleich voll akzeptiert, in der Kabine sind die «Herren der Schöpfung» aber noch unter sich … «Jede Kickerin sollte die Möglichkeit bekommen, bei den Männern mitzuspielen. Am Ende des Tages kann ich das jetzt als Spielerin selbst entscheiden – es ist auch mein Problem, wenn ich umgeholzt werde», gibt die Debütantin im Herrenfußball zu Protokoll. Wo sie recht hat, hat sie recht. Nüchtern betrachtet sollte es selbstverständlich sein, dass Frauen und Männer gemeinsam kicken. Wenn das spielerische Niveau passt, natürlich. Bei den Herren geht es auch deutlich körperlicher und athletischer zu, das hat Mutter Natur nun mal so eingerichtet. Hierauf muss sich die «Dame der Wahl» dann einfach einstellen.
Larissa Fromm: «Ich liebe einfach den Fußball.»
Eine weitere Fußballerin bei den Herren ist Larissa Fromm, die beim ATSV Mutschelbach ihre ersten Lorbeeren in der 3. Herrenmannschaft erntete. «Ich liebe einfach den Fußball und habe immer schon auch mit den Männern mittrainiert», sagt Fromm. Sie kickt auch weiterhin parallel mit der Frauenmannschaft in der Verbandsliga und würde dieses Team auch immer bevorzugen, wenn sie vor der Wahl stünde. Als sie zuletzt bei den Männern ihr Debüt absolvierte, waren die Teamkollegen immerhin von ihren ganz eigenen Tacklingqualitäten angetan. Derzeit trainiert Larissa fünfmal die Woche und spielt natürlich am Wochenende – bei den Männern und den Frauen. Für die 19-jährige Pflegekraft in Ausbildung sind diese Doppeleinsätze mittlerweile völlig normal. Nichts, worüber man groß reden müsste.
Und die neue Normalität von Frauen in Männerteams macht große Schritte. Beim Badischen und beim Württembergischen Fußballverband ist dies bereits erlaubt, in Südbaden werden noch Gespräche zum Thema geführt. Klar, es gibt viele Unterschiede auf dem Rasen und das Verletzungsrisiko für die Frauen ist wegen der körperlichen Verschiedenheit auch höher. Doch wenn Frauen das Niveau mitbringen und sich bewusst für Einsätze im Herrenspielbetrieb entscheiden, stellt sich natürlich die Frage: warum denn nicht?
Vor allem logistisch hat die relativ neue Regelung für die Frauen natürlich sehr große Vorteile. Wenn es in der Region kein Frauenteam mit entsprechender Spielstärke gibt, was in vielen Orten der Fall ist, kann man einfach mit den Männern mitkicken. So umgeht man das Vakuum, das für viele Frauen entsteht. In der Jugend spielen sie noch mit den Jungs mit oder es gibt im Verein vielleicht sogar eine starke Mädchenmannschaft. Mit 18 steht man dann vor der großen Frage: «Viele Kilometer fahren oder mit dem geliebten Fußball aufhören?»
Jennifer Beck: «Anfangs haben sich einige Gegenspieler bei den Zweikämpfen noch zurückgehalten.»
So ähnlich lief es auch für Jennifer Beck, die im wunderschönen und fußballverrückten Gammesfeld bei der SpVgg dem geliebten Fußballsport nachgeht. Normalerweise spielt sie hier bei den Frauen in der Landesliga, da aber bei den Herren in der 2. Mannschaft Not herrschte, sprang die 23-Jährige auf Nachfrage ein. Nichts Neues für die Stürmerin, schließlich kickte sie bis zur B-Jugend bei den Jungs. Dennoch war die Premiere bei den Männern etwas Besonderes: «Ich war schon etwas nervös und hatte umgekehrt auch das Gefühl, dass sich einige Gegenspieler auf dem Rasen bei den Zweikämpfen zurückgehalten haben», sagt Beck. Der Auftritt hat aber insgesamt viel Spaß gemacht und sie wurde vom eigenen Team auch super aufgenommen. «Die einzige Sache, die aus meiner Sicht gegen die Einsätze von Frauen bei den Männern spricht, ist das Verletzungsrisiko. Das muss dann jede für sich entscheiden», stellt die Fußballenthusiastin klar. Früher wollte ihre Mutter aus ihr eine Ballerina machen, doch Beck hatte aus Sicht der Spielvereinigung zum Glück ihre eigenen Pläne. Eine Frau unter Männern: auch hier eine klare Win-win-Situation.
Erstmals fand ein Fraueneinsatz in einer Herrenrunde übrigens 2022 in Bayern statt, als Jessica Eckl und Sandra Pfannenstein für den FC OVI-Teunz II kickten. Auch damals war der Umgang auf dem Rasen gleichwertig und völlig normal. Auch die Bedenken, dass die Frauen nun ungefragt in die Männerbastion Fußball eindringen, erweisen sich bisher als haltlos. Schließlich werden die jeweiligen Spielerinnen meist initiativ gefragt, ob sie denn aushelfen könnten. Ebenso sind sich Annike Müller, Larissa Fromm und Jennifer Beck sicher, dass die Einsätze von Frauen bei den Männern auch in Zukunft die Ausnahme bleiben werden. Kicken mit den Jungs mache zwar viel Freude, aber die Frauen im Fußballsport genießen vor allem das Spiel untereinander … |