Frauen im Männerfußball
Die neue Normalität: Frauen im Männerfußball
| Bereits 2022 hatte der DFB seinen Regional- und Landesverbänden ermöglicht, Frauen und Männer gemeinsam auf den Platz zu schicken. In der Spiel- und Schiedsrichterordnung heißt es: «Die Landes- und Regionalverbände können zur Flexibilisierung des Spielbetriebs (…) Pilotprojekte zum Gemischten Spielen durchführen.» In diesem Zusammenhang ist es ihnen erlaubt, Spielerinnen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, das Spielrecht in Herrenmannschaften zu erteilen.
Eine Chance für mehr Spielmöglichkeiten
Nachdem der bfv und der wfv schon früher von dieser Option Gebrauch gemacht hatten, wurden Frauen mit Beginn der Saison 2024/25 im Rahmen eines Pilotprojekts auch beim SBFV in Männerteams zugelassen. Insgesamt werden in dieser Spielzeit bei den drei Verbänden 77 Frauen im Herrenbetrieb eingesetzt, davon 16 beim bfv, 13 beim SBFV und 48 beim wfv. Ab der Saison 2025/26 wird der DFB die Regelung wohl in die Spielordnung aufnehmen. Dann soll allen erwachsenen Spielerinnen die Möglichkeit gegeben werden, bei den Männern mitzukicken.
Da die Zahl der Frauenteams bundesweit stetig sinkt, sind viele Spielerinnen verstärkt auf der Suche nach einer Spielmöglichkeit. Vor allem dort, wo es keine nahe gelegene Frauenmannschaft gibt, können Kickerinnen dank der neuen Regelung also auch ohne weite Anreise regelmäßig spielen. Zudem füllen sie Lücken in Männermannschaften und können so ihre eigenen Vereine zusätzlich unterstützen.
Was aber sagen die Spielerinnen, die von der neuen Regelung betroffen sind? Hat sie sich bewährt? Wie erleben die Fußballerinnen das Spiel unter Männern und wie werden sie von ihren männlichen Mannschaftskollegen aufgenommen? Können sie sich gegen diese behaupten? Und gibt es ganz banale, organisatorische Hürden, die den Frauen das Mitkicken bei den Männern noch schwer machen?
Spielintelligenz statt Körperkraft und Sticheleien
«Der Ton bei den Männern ist rauer. Bei den Frauen wird nicht so viel gestichelt», beschreibt Pia Liening-Ewert den Unterschied zwischen ihren Erfahrungen im Fußball unter ihren Geschlechtsgenossinnen mit denen bei den Männern. Dort habe sie bei ihren ersten Spielen selbst von den Zuschauern «Extremeres» als bei den Frauenspielen erlebt. Die 26-Jährige spielt in der dieses Jahr gegründeten 2. Männermannschaft des KIT SC Karlsruhe in der Kreisklasse C. Etwa 20 Spiele habe sie hier schon gemacht und dabei gemerkt, dass man Männer und Frauen athletisch einfach nicht vergleichen kann. «Als normale 1,75 m-Frau hat man gegen einen 1,90 m-Kerl eben keine Chance. Die physischen Voraussetzungen sind einfach andere», stellt sie klar.
Doch was ihr an Kraft fehlt, macht sie mit anderen Dingen wieder wett – über vorausschauendes Spielen etwa. «Das Kicken mit den Männern hat mich definitiv spielintelligenter gemacht», sagt die Defensivspezialistin, die für den SV Meppen in der Juniorinnen-Bundesliga und drei Jahre auch in der 2. Frauen-Bundesliga spielte. Gegenüber den Männern habe sie das Oberwasser in Sachen Taktik und müsse sich deshalb weniger auf Zweikämpfe einlassen, in denen sie häufig den Kürzeren zieht.
Bei den Männern mittrainiert hat Liening-Ewert sowieso schon lange, weil ihr zweimal pro Woche Frauentraining nicht gereicht hat. Insofern ist Fußballspielen mit den Jungs für sie nichts Neues. Ähnliches berichtet auch die 30-jährige Sanja Holetic, die nach einer bereits langen und erfolgreichen Karriere – u. a. als kroatische Nationalspielerin – nun in ihrem Heimatverein TV Möglingen bei den Männern in der 2. Mannschaft mitspielt. «In den vergangenen 25 Jahren habe ich immer wieder mit und gegen Jungs gespielt, für mich ist das also absolut nichts Neues», erzählt die Stürmerin.
Körperliche Herausforderungen und Spielkultur
Sie fühle sich bei den Männern im Team jedenfalls äußerst wohl und auch ihr Trainer Benjamin Weidner dürfte seine Initiative, sich aktiv um die taktisch versierte Holetic zu bemühen und sie schließlich erfolgreich in die Mannschaft zu holen, nicht bereuen. «Er hat mich in der Entscheidung bestärkt und mir klargemacht, dass ich eine gute Spielerin und ein wichtiger Teil des Teams bin», berichtet Holetic stolz
Auch ihre Erfahrungen zeigen, dass es bei den Männern anders zugeht als bei den Frauen. Schubsereien und viele Karten seien an der Tagesordnung, auch wenn sich der Fußball in der Kreisliga B gebessert habe und ansehnlicher geworden sei. Und wie sie gern zugibt, gebe es auch «giftige Mädels», die ihre Fingernägel einsetzen oder andere am Zopf packen.
Dass es im Spiel mit den Männern durchaus etwas körperlicher zugehen kann, bestätigt auch Celestine Rösel, die beim FC Bodman-Ludwigshafen das Spielrecht für die Männermannschaft hat. Einsätze habe sie hier zwar verletzungsbedingt noch keine gehabt, kann aber aus dem gemeinsamen Training berichten. «Auf mich als Torhüterin wird keine Rücksicht genommen!», erzählt sie lachend. «Die Jungs wollen den Ball einfach nur ins Tor kriegen.»
Die Möglichkeit für Frauen, nun offiziell bei den Männern mitzukicken, findet sie gut. «Manche Männer sind zwar dagegen, aber wenn sie uns Frauen mitspielen sehen, besteht die Möglichkeit, dass sie ihre Meinung ändern», erklärt die 20-Jährige, die für ihren Verein auch in der Frauen-Bezirksliga zwischen den Pfosten steht. Außerdem werde dem Frauenfußball so allgemein mehr Sichtbarkeit verschafft. Nicht zuletzt sei es aber für sie selbst eine gute Gelegenheit, mehr Erfahrung zu gewinnen.
Frauen erleben ein anderes Spielgeschehen
Für Pia Liening-Ewert verlief der Einstieg ins Männerteam reibungslos, was auch daran liegt, dass beim KIT SC als universitätsnahem Verein generell alle recht offen sind. Es habe dort nie jemand ein Problem damit gehabt, dass sie als Frau Teil des Männerteams ist. Eher im Gegenteil – immerhin hat Liening-Ewert im Verein ihren Lebensgefährten kennengelernt.
Kaum von Problemen zu berichten hat auch Lenny Lüger. Der 25-Jährige spielt seit 2023 in der Kreisklasse B bei den Männern des SV Laudenbach – nachdem er zuvor den größten Teil seines Lebens als Mädchen und Frau gelebt hat. Der überwiegende Teil seiner Mannschaftskollegen wusste anfangs nicht, dass er trans war. Sie erfuhren erst diesen August durch einen Zeitungsartikel davon. «Danach kamen keine negativen Reaktionen, nur Respektbekundungen. Die meisten haben gar nicht gemerkt, dass ich damals körperlich noch eine Frau war», erzählt Lüger.
Da Lüger als Frau mit Frauen gekickt hat und nun als Mann mit Männern Fußball spielt, fällt es ihm leicht, die Unterschiede aufzuzählen: «Bei den Männern ist es robuster. Das Spiel ist dort körperlicher und schneller. Und wenn du da einen Tritt abbekommst, tut das mehr weh als bei den Frauen.» Es sei zwar auch Fußball, aber dennoch ein komplett anderes Spiel, sagt Lüger – der den Frauenfußball als die ästhetischere Variante empfindet. Dass Frauen nun bei den Männern mitspielen dürfen, sieht er als positiv an. «Sie erleben dort ein anderes Spielgeschehen und können viel lernen. Aber es kommt natürlich auch ganz auf den Verein, die Liga, den Gegner und die allgemeine Akzeptanz an», berichtet der 1,65 Meter große Außenbahnspieler.
Ein positives Zeichen der Öffnung
Nach organisatorischen Problemen gefragt, sehen die drei Spielerinnen Holetic, Liening-Ewert und Rösel kaum Probleme. In Möglingen gebe es genug Kabinen, damit sie sich getrennt von den Männern umziehen könne, berichtet Sanja Holetic. «Zu Auswärtsspielen komme ich dann halt schon umgezogen. Und wenn ich mal mein Trikot schnell ausziehen muss, ist das für die Jungs ja auch nicht anders als im Freibad.»
Von getrennten Kabinen beim Training berichtet auch Celestine Rösel. Für ihren ersten Spieleinsatz mit den Männern sei geplant, dass sie als Erste duscht, um dann schon mal ein Bier trinken zu gehen, während ihre Mannschaftskollegen unter der Dusche stehen. Pia Liening-Ewert sieht die Situation beim Umkleiden und Duschen ebenfalls «relativ entspannt». Bei gegnerischen Mannschaften ziehe sie sich manchmal einfach in der Schiedsrichterkabine um.
Was die Umkleidesituation betrifft, legen also alle drei Fußballerinnen eine lockere Einstellung an den Tag, die zeigt, dass es ihnen vor allem um den Spaß am Sport geht. Ihre weiteren Erfahrungen deuten darauf hin, dass die Öffnung des Männerfußballs für Frauen das Potenzial hat, weit mehr zu sein als nur ein vorübergehendes Experiment. Gemischt-geschlechtliche Mannschaften können ebenso wie Transpersonen eine echte Bereicherung für den Amateurfußball sein, aus der alle Beteiligten etwas lernen können. Vor allem sind sie ein Zeichen der Öffnung und machen den Fußball bunter und vielfältiger. | Maximilian Schröter, München